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Let the Games begin

Heute nun beginnt sie also - die EURO 2012, die lang ersehnte 14.te UEFA-Europameisterschaft. Aber irgendwas ist anders. Nur was? Ach ja, Vorfreude und Euphorie sind merklich gedämpft. Wodran das wohl liegen mag?

Zum einen an den Austragungsorten. Polen und die Ukraine sind bestimmt Länder von faszinierender Schönheit, aber ob beide das bei solchen Turnieren erforderliche und gewünschte organisatorische Niveau leisten können, darf doch - bei allem Respekt - bezweifelt werden. Die Presse hat landauf landab auch wieder ihr allermöglichstes getan um mit Horrorgeschichten (Hotelabzockerei, Boykott durch politische Hinterbänkler) die Reisefreudigkeit der hiesigen Fans zu neutralisieren. Warum sich unsere Medien, wie eigentlich vor jedem Turnier, auf kapuzengetarnte Hooligans stürzen und ihnen für ihre Tiraden ("Wir machen Jagd auf alles Deutsche") eine Plattform bieten, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.

Umstrittene Vergabepraxis

Die Vergabe im Jahre 2007 wurde im Nachhinein von Korruptionsvorwürfen gegen Lebe- und Saubermann, Michel Platini (57, UEFA-Präsident), überschattet. Zu offensichtlich dessen Connection zu dubiosen zypriotischen und ukrainischen Mogulen. Gemunkelt wurde von märchenhaften Bestechungsgeldern, die geflossen sein sollen. Ein Interesse seitens Platini und der UEFA an einer Aufklärung dieser Vorwürfe? Fehlanzeige!

Offensichtlich muss man sich als Fussballfan nicht nur an solche Praktiken und Auswüchse der Kommerzialisierung gewöhnen, sondern auch daran, dass die bedeutenden Turniere immer seltener in den Ländern stattfinden, die den Fussball groß gemacht haben. Die Austragung der FIFA-WM in Russland (2018) und Katar (2022) ist die vorläufige "Krönung" dieser Negativentwicklung. Von daher auch der leicht provokante Name meines EM-Blogs.

Aber das ist vorläufig noch Zukunftsmusik. Die brennende Frage lautet doch, welche Akteure und Teams uns bei der EM mit tollen Spielzügen und traumhaften Toren verzaubern werden und ob am Ende die vertrauten Gesichter den Cup unter sich ausspielen oder wie 2004 (Griechenland) bzw. 1992 (Dänemark) ein krasser Außenseiter das Rennen machen wird.

Die Favoriten

Die Wahrscheinlichkeit dafür wird allerorten als äußerst gering angesehen. In Fachkreisen werden schon, bevor der erste Pfiff ertönt ist, die Spanier auf's Favoritenschild gehoben. Da die Iberer amtierender Europa- und Weltmeister sind, ist dies nur allzu folgerichtig. Aber bislang hat es noch keine Nation geschafft den Henri-Delaunay-Pokal zu verteidigen. Ebenso wenig konnte eine Länderauswahl drei bedeutende Turniere in Folge gewinnen. Es war die Deutsche Mannschaft, der dies 1976 beinah gelungen ist. Frankreich schied 2002 nach seinen beiden großen Triumphen (WM98 und EM2000) sang- und klanglos bei der asiatischen Tamagotchi-WM in der Vorrunde aus.

Neben den Mannen von Vicente del Bosque, bei denen aktuell noch nichts auf eine gewisse Sattheit hindeutet, gelten Rekordeuropameister Deutschland und die Niederlande als heiße Titelanwärter. Während die stolzen Italiener, gebeutelt von Wettskandalen (übrigens genau wie vor ihrem WM-Triumph 2006), die von Verletzungen geplagten Engländer und die zuletzt stärker aufkommenden Franzosen bestenfalls mit Außenseiterchancen ins Turnier starten werden.

Aber auch die Polen, die skandinavische Fraktion bestehend aus Dänen und Schweden oder die gealterten Kroaten möchten ihr ganz persönliches Sommermärchen schreiben. Zuzutrauen ist das am ehesten den rot-weißen Co-Gastgebern in der schwachen Gruppe A und den unbequemen Dänen, sofern ihnen die Sensation gelingt, zwei der drei in der Weltrangliste vor ihnen platzierten Konkurrenten (DE, NL, POR) in Gruppe B zu eliminieren.

Die hochgewetteten Portugiesen werden trotz oder wegen ihres exzentrischen Starspielers Christiano Ronaldo als Gruppenletzter den Fado singend früh die Heimreise antreten.

Team Germany und seine Chancen

Nun zum deutschen Team, das nach den glanzvollen Jahren 2010 und 2011, einer Qualifikation mit 10 Siegen aus ebenso vielen Spielen und eindrucksvollen Demonstrationen der Stärke über die Niederlande (3:0) und Brasilien (3:2) mit mächtig Rückenwind Richtung viertem EM-Titel gesegelt wäre - wenn, ja, wenn die EM Weihnachten stattgefunden hätte. Seitdem hat sich aber einiges geändert und es scheint etwas faul zu sein im Staate Löw.

Vorbereitungsspielen haftet von jeher der Hauch eines wertlosen Sieges gegen Fallobst (à la Liechtenstein) oder einer veritablen Blamage gegen Fallobst an. Dieses Mal erwischte Löws Mannen ein rechter Schwinger aus der Schweiz, der die Menschen zwischen Nord- und Bodensee in ihrer Euphorie wieder auf den Boden der Tatsachen beförderte. Die Niederlage zu Basel gegen die Eidgenossen war nicht nur aufgrund des Ergebnisses (3:5) von historischem Ausmaß, es war zugleich die erste gegen den kleinen Nachbarn seit 1954.

Sie wurde zwar als unbedeutend ad acta gelegt, aber für mich war sie in meiner EM-Prognose ein entscheidender Wendepunkt. Zum einen zeigte sie nicht nur, dass vermeintliche Hoffnungsträger (Götze) nicht fit sind, sondern auch, dass sich die Stärke des bärenstarken Dortmunder Kollektivs nicht auf die Nationalelf übertragen lässt, so dass diese vom Elan und der Energie des Double-Gewinners profitieren könnte. Stattdessen müssen bis zu acht Akteure des am FC Chelsea zerschellten bajuwarischen Rekordmeisters die Kohlen aus dem Feuer holen. Genau die Spieler, die noch in den roten Trikots ihres Arbeitgebers die vorangegangenen fünf Spiele gegen den BVB verloren haben mit der abschließenden Demütigung beim 2:5 im DFB-Pokalfinale. Verrückte Fussballwelt.

Schwamm drüber – schließlich gibt es durchaus Mut machende Parallelen in der turbulenten Geschichte des deutschen Fußballs (1954 FCK oder 2002 Bayer 04).

Irritierende Vorbereitung

Mit deutscher Gründlichkeit wurden in den Klinsmann-, Löw-, Bierhoff-Jahren straffe Vorbereitungsprogramme kombiniert mit kreativer Zerstreuung organisiert und umgesetzt, was sicherlich auch ein Grund für die ehrenwerten zwei dritten und den einen zweiten Platz seit 2006 war.

Aber nun kommt man als interessierter Beobachter nicht umhin die Vorbereitung im Jahre 2012 als komplettes Desaster zu bezeichnen. Sicherlich war es für die DFB-Elf nachteilig, dass die Saison für BVB- und FCB-Spieler eine bzw. zwei Wochen länger gedauert hat und zudem für das Gerüst des Teams mit zwei bitteren Finalpleiten endete. Auch das anschließende Arjen-Robben-Genesungsspiel am 22. Mai war überflüssig wie Hansi Flicks martialische Kriegsmetaphern.

Aber ganz Fußballdeutschland fieberte dem Moment entgegen, in dem sich endlich der komplette Kader versammeln würde. Und es war ein langes Fiebern, denn die Bayern-Spieler bekamen nach dem CL-Finale unverständlicherweise nochmal 4-5 extra Urlaubstage geschenkt um den "Kopf freizukriegen". Dabei sollten doch Automatismen trainert werden, ja sogar Standardsituationen, dessen Einstudieren Übungsleiter Joachim Löw bislang für profane Zeitverschwendung hielt. Möglicherweise hat ihn ein gewisser Herr Drogba vom Gegenteil überzeugt.

Kaum segelten die ersten Freistoßflanken auf die Häupter von Klose und Gomez war schon wieder Pause. In der heißesten Trainingsphase des Jahres, in einer Zeit als Spanien Südkorea und China wegschrubbte, bekamen die Deutschen ein verlängertes Reha-Wochenende mit ihren Familien geschenkt.

Boateng is in the House

Wenn man populistisch sein möchte, kann man überspitzt anmerken, während Villariba (Spanien) noch schuftet, liegt  Villabajo (Schland) schon wieder auf der Couch. Ach nein, nicht ganz Deutschland. Leitwolf Schweinsteiger lag mit Freundin im Liegestuhl auf Capri, während Jerome Boateng mitten in der Berliner Nacht seine Position in der Viererkette mit Sternchen Gina-Lisa Lohfink und einem unbekannten dritten Mann auf Ginas Hotelzimmer durch diskutieren wollte.

Im Gegensatz dazu wirken doch die Geschichten von 74er Malente-Ausbüxereien wie alberne Schulbubenstreiche. Immerhin ereilte Boateng ein donnernder Tadel des Bundestrainers mit dem Hinweis darauf, dass Jerome sich fortan in der „Bringschuld“ befindet und als Höchststrafe wurde dem potentiellen Rechtsverteidiger mit einer Verdrängung aus dem Stammspieler-Paradies durch Lars Bender gedroht.

Ach Per...

Per Mertesacker und Miroslav Klose ereilen solche Drohungen nicht. Sie können sich trotz ihrer fehlenden Spielpraxis als Fixstarter fühlen. In beiden Fällen ist dies unverständlich und gefährlich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der schlaksige Arsenal-Verteidiger wirkte schon bei der WM 2010 wie aus der Zeit gefallen und stellte in der Vorrunde ein permanentes Sicherheitsrisiko dar, bevor er sich dann an der Seite des starken Arne Friedrich steigerte. Nun, nach einer viermonatigen Verletzungspause, fehlt ihm nicht nur jegliche Möglichkeit sich an einer qualitativ hochwertigen Spieleröffnung zu beteiligen, viel schlimmer wiegen Verlust von Timing für Kopfball, Zweikampf und Stellungsspiel. Die Alternative auf der Position des rechten Innenverteidigers, Mats Hummels, ist ohne Frage der beste aktive deutsche Verteidiger. Dass er trotzdem nicht an einem indisponierten Mertesacker vorbeikommt, mutet nicht nur für ihn tragisch an, sondern auch für jeden DFB-Fan, wenn unsere Mannen aufgrund von Abwehrschnitzern Marke PM das Vorrundenaus ereilen sollte. Zum Trost wäre nicht mal die Episode des passionierten Schalträgers Löw beendet, denn dem Nivea-Mann wurde voreilig – unabhängig vom sportlichen Abschneiden – eine uneingeschränkte Jobgarantie ausgesprochen. Willkommen in der Leistungsgesellschaft!

Der ewige Miro

Anders verhält es sich mit Miroslav Klose. Ein unumstrittener Stürmertitan, mit großen Verdiensten und perfekt geeignet für die deutsche Angriffskombinationsmaschinerie. Seine Pause aufgrund eines Muskelfaserrisses bei Lazio betrug lange 5 Wochen, aber der gute Miro ist bereits 34 und hat in der Vergangenheit schon seine Eignung als Joker unter Beweis gestellt. Demgegenüber steht die Mittelstürmeralternative Mario Gomez: Ein Mann wie ein Baum, vollgepumpt mit Selbstvertrauen durch seine 40 Tore, die er in dieser Saison erzielt hat, davon 12 auf allerhöchstem CL-Niveau. Und im Gegensatz zu Klose hat Gomez eben bewiesen, dass er als Einwechselspieler gänzlich ungeeignet ist. Darunter dürfte auch seine Psyche leiden, die jetzt schon angeknackst zu sein scheint, da die Startformation für ihn in immer weitere Ferne zu rückt. Können wir uns wirklich leisten auf diese Tormaschine (Gomez) zu verzichten?!? Ich denke: Nein!

Ein sturer und wagemutiger Herr Löw

„Zocker“ Löw geht mal wieder volles Risiko, denn neben den Rekonvaleszenten Klose und Mertesacker musste auch Leader Schweinsteiger aufgrund von Wadenproblemen nahezu die ganze Vorbereitung aussetzen. Dennoch werden diese drei Spieler auf zentralen Positionen eingesetzt werden und die Achse des deutschen Spiels bilden. Es wäre grandios, wenn dies zum Erfolg führen würde, aber eigentlich kann es das gar nicht, das würde sonst jegliche Sinn intensiven Trainings ad absurdum führen. Die Deutschen sind eben keine Dänen, die 1992 direkt aus dem Urlaub kommend und mit MCD-Junk-Food aufgepäppelt, in Schweden Europameister wurden, und werden wohl auch nie welche werden.

 

So geht es aus oder auch nicht

Nun zu meiner Einschätzung der Gruppenrangfolge nach der Vorrunde, unter Berücksichtigung, dass ich NIEMALS gegen DE tippen werde:

 

Gruppe A

 

Polen

Russland

Tschechien

Griechenland

 

Gruppe B

 

Deutschland

Dänemark

Niederlande

Portugal

 

Gruppe C

 

Italien

Spanien

Irland

Kroatien

 

Gruppe D

 

Schweden

Frankreich

Ukraine

England

 

Für den 1. Spieltag (08.06.2012) lautet meine Prognose:

 

Polen - Griechenland 1:0

Russland - Tschechien 1:1

 

Auf eine schöne, friedliche und für DE hoffentlich sehr erfolgreiche EM!

Tag(s) : #Dirki bloggt die WM-EM
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