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Der große Fußball verkauft seine Seele an die Murdochs, Kirchs und Gates dieser Scheinwelt. Abseits davon aber, lebt der kleine Fußball der Hobbyligen umso mehr auf. Unbehelligt von wilder Reglementierungswut inkontinenter Funktionäre jagen jung und alt auf vielen glücklichen Rasen- und Aschengevierten ehrgeizig dem runden Leder hinterher. „die sport“ stellt die vier bekanntesten Düsseldorfer Hobbyligen vor.

 

Eine dieser Hobbyligen ist die 1982 gegründete Bunte Liga, die Drehbuchautor Xao Seffcheque, vom Team Pinque Punque, den „Kosmos des semi-professionellen Hobby-Fußballtums“ nennt. Ihm zufolge wurde die BuLi ins Leben gerufen von „ein paar Dutzend noch nicht völlig vertrottelten jungen Männern, die keinen Nerv auf die Vereinsnummer und das ganze Allgemeinplatzwart-Programm hatten“. Organisiert wird die Liga von einem Beirat, dessen Mitglied, Jürgen Krupka, die Gründungsphase beschreibt: „Am Anfang stand ein Spiel zwischen dem Heider SV aus Wuppertal und einer Mannschaft der Zeitschrift Überblick. Hervorgegangen sind die Teams der ersten Stunde aus der Kneipen- und Intellektuellen-Szene. Wer damals nicht normal war, war alternativ oder eben bunt und wollte mit Gleichgesinnten kicken.“

 

Fallrückzieher unters Lattenkreuz

 

Achtzehn Jahre später erlebte „die sport“ bei einem Besuch der Partie Amor Filigran gegen Pinque Punque die Charme der BuLi. Dieser erschließt sich daraus, daß die Liga ein Refugium für die sonst oft im Stillen verborgene Spontanität ist. Wo Unvorhergesehenes geradezu Programm ist, entfalten die Sportler ihre Kreativität.  Wer am Ball ist, bekommt den Kopf frei. Hobbyspieler kennen den Moment, in dem der Kick, etwas ganz Besonderes zum Gesamtkunstwerk beitragen zu können, plötzlich da ist. Das ist der Augenblick des Adrenalinstoßes, in dem auch das möglich scheint, was nie trainiert worden ist. Die Suche nach dem eigenen Genius gehört zu den uneingestandenen Mythen des Fußballs. Einmal die große Idee zur entscheidenen Tat haben, wieder einmal im rechten Moment am richtigen Fleck zu sein, allein auf weiter Flur ein Tor des Gegners verhindert zu haben. Die kleinen Helden des Fußballalltags kennen diese Wünsche und Sehnsüchte, und manchmal erfahren sie auch ihr großes Glück. Daß oftmals Pech überwiegt, beweist eine Anekdote aus der Hobby-Liga West, die 1996 aus der Bilker Punkterunde hervorging. Als in einem wichtigen Spiel ein Stürmer einen Konter seiner Mannschaft einleiten wollte, wurde er gefoult. Ärgerlich über die Unterbrechung wollte er schnell weiterspielen, doch der Schiedsrichter zeigte dessen Kontrahenten erst die gelbe Karte. Der Verwarnte beschwerte sich lautstark und der Schiri zog Rot. Während der Gefoulte immer noch zum Freistoß bereit stand, lief der gegnerische Kapitän heran, bedrängte wütend den Mann in Schwarz und wurde des Feldes verwiesen. Daraufhin kam mit großem Anlauf der Torwart schreiend herangestürzt, der Spielleiter sah ihn kommen und empfing ihn volley mit einer gestreckten roten Karte. In dem folgenden Tumult griffen alle Gegner den Referee an und mit einer legendären, ausholenden Bewegung rief dieser: „Rot! ALLE Rot!“ und lief davon. So stand der Stürmer, Sekunden nachdem er einen hoffnungsvollen Angriff eingeleitet hatte, völlig alleine in der Mitte des Platzes. Sein inniger Wunsch, ein schönes Fußballspiel zu bestreiten, wurde ihm verwehrt.

 

Bei Wind und Wetter sturmerprobt

 

Daß Freizeitkicker keine Prinzessinnen sind, verdeutlicht die Aussage Michael Feders vom HSC Stockum (HL West). „Wir trotzen allen Widrigkeiten. Gespielt wird immer. Ganz egal, ob bei Eis, Donner oder Dunkelheit. Bei uns werden keine Verletzungen vorgetäuscht und keiner klagt über zu großen Druck.“ Diese Devise treibt auch seit 1963 den Dinosaurier des Freizeitfußballs, die FIG Süd, an. Der Mitbegründer Manfred Biscysko, der noch heute für die Organisation verantwortlich ist, hat im Laufe der Jahrzehnte wertvolle Einblicke in die beliebteste Sportart der Welt gewonnen: „Der Fußball lebt von seiner Unberechenbarkeit. Das zeigt sich schon an seinem Spielgerät, dem Ball. Alle, die ihn bewegen wollen, müssen ihn schon gut und genau treffen, soll er sein Ziel erreichen. Daß im Fußball nicht Tore im Dutzend fallen, zeichnet ihn aus. Den großen, raren Moment vorzubereiten kostet alle, die danach streben, viel Mühsal, und doch ist es oft schneller als gedacht passiert. Das Spiel zu vollenden und Tore zu erzielen ist das Größte für einen Fußballer. Es ist der innige Moment, da aus Fußball Ernst wird. Und um auf dem Platz Spaß zu haben, muß man die Sache verdammt ernst nehmen.“

 

Strömender Regen lockte Fans an

 

Jeder, der einmal selbst gegen „das Runde“ getreten hat, weiß, daß Fußball schwer und einfach zugleich ist. Fußball ist Gemeingut und nicht allein für die gemacht, die besonders geschickt mit dem Ball umzugehen verstehen. Deshalb bietet dieser Sport genug Inseln des Glücks, auf denen das Gruppenerlebnis winkt und das Einzeltalent entdeckt werden kann.

Eine dieser Inseln, ist der Nordpark, Spielort der Lohausen-Liga, die seit 25 Jahren ihre Weggefährten fasziniert. In den glanzvollen 80ern, kämpften knapp 30 Teams von Liga 1 bis 3 um Punkte. Selbst so schillernde Stars wie Egon Köhnen, Jörg Schmadtke, Helmut de Raaf und Mike Büskens griffen ins Geschehen ein. Damals waren mehrere hundert Besucher keine Seltenheit. Unerklärlicherweise kamen bei schlechtem Wetter meist doppelt soviele Fans wie bei Sonnenschein. „die sport“ war am 16. Mai Zeuge des 5:1 Sieges von Ligarekordmeister Abwärts gegen Emporkömmling Krähenacker und stellte fest, daß das Abenteuer, als verschworener Haufen eine anderthalbstündige Kraftprobe siegreich bestehen zu können noch immer unvergleichlicher Ansporn ist. Die Brüder Malte und Michael Beckmann halten seit den Gründertagen die Fäden in der Hand und wollen die Liga noch möglichst lange weiterführen. Sie kleiden das Erfolgsgeheimnis ihres „Lebenswerkes“ in wohlformulierte Worte: „Während der Hobbyspieler als Fan einer Profi-Mannschaft Niederlagen oder miserable Leistungen dazu nutzt, mit Spielern und Trainern der „eigenen“ Mannschaft abzurechnen, weiß er als Protagonist des Schauspiels, daß niemals Kittelbach oder Null Null, sondern allenfalls der Fußballgott, das Pech oder der Schiedsrichter an der eigenen Niederlage schuld ist. Deshalb bleibt der enorme Stellenwert der Liga bis weit ins Erwachsenenleben hinein für jeden Einzelnen unantastbar.“ Die Begeisterung für den Hobbyfußball bleibt gerade in Zeiten von G-14-Arroganz, Ablösewahnsinn und Wettbewerbsinflation ungebrochen. Eine Beteiligung als Zuschauer, Spieler oder Maskottchen wird auch in Zukunft eine äußerst reizvolle Freizeitaktivität darstellen.

 

Erschienen in „die sport“ im August 2000

Tag(s) : #Fußball pur!, #Lohausenliga
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