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Meine ganz persönliche Liebeserklärung an die Glanzzeit des legendären aktuellen sportstudios (Teil V – Die Show) 

 

Im Herbst 1973 konstatierte Die Zeit, dass das Sportstudio „schon längst moribund, also im Sterben liegend“ sei. Daraufhin ließ die Regie pfiffiger weise den Programmablaufplan per ferngesteuerten Modellhubschrauber ins Studio einfliegen, um zu beweisen, dass, so Dieter Kürten „wir uns immer neue Dinge einfallen lassen, um die Sendung außergewöhnlich zu gestalten.“

Spieler der beiden Fortunen aus Düsseldorf und Köln traten auf der boot 74 zur Fortsetzung ihres nachmittäglichen Kräftemessens an. Moderator HaJo Friedrichs begrüßte das Publikum: „Wo simmer, wo samma, da samma“, und karikierte so den “berühmten Kollegen (→ Valérien), der im Augenblick von den Bergen auf uns herunterschaut.“ Auf dem „modernsten Ausstellungsgelände Europas“, in einem 40x60 Meter großen Becken mussten die Spieler der beiden Bundesligisten gegeneinander antreten. Je drei Akteure aus Düsseldorf und Köln maßen sich in einer Staffel-Bootsregatta. Ein Rennen über 3 x 60 Meter mit Segelboot (→ Optimist) - angetrieben von einer Windmaschine  (Herzog), mit dem Motorboot (Woyke) und dem Kanu (Zewe). Den Kölnern gelang dabei eindrucksvoll die Revanche für die vorherige 1:5-Packung im Rheinstadion. Punkte gab es dafür allerdings keine.

Eine Dame namens Kareen Zeebroff hatte im Studio bei Harry Valérien erstmals das deutsche Publikum in die Geheimnisse der Entspannungsgymnastik (Yoga) eingeweiht. Vier Wochen später wurde sie wieder eingeladen, denn der Erfolg war laut Dieter Kürten so „umwerfend, wir haben hunderte von Briefen bekommen, in denen die Leute nach mehr Yoga verlangten, nach mehr Informationen schriftlicher und mündlicher Art.“ Darum wurde umgehend eine dreizehnteilige Serie, „Yoga für Yeden“, produziert.

Das Sportstudio vom letzten Spieltag der Saison 1973/74 war sicher eines der besten und verrücktesten - ein absolutes Highlight. Am Tag zuvor konnten die Bayern als erste deutsche Mannschaft den Landesmeistercup im Brüsseler Wiederholungsspiel gegen Atletico Madrid (4:0) gewinnen (Das Original-Finale endete zwei Tage zuvor 1:1 - Elfmeterschießen gab es damals noch nicht). Von Brüssel aus reisten die Bayern unmittelbar zum Saisonkehraus nach Mönchengladbach, wo sie mit 5:0 von Vizemeister Borussia deklassiert wurden, nur 17 Stunden nach ihrem EC-Triumph. Glücklicherweise hatte Gladbach in der Woche zuvor 1:0 in Düsseldorf verloren und so unaufholbare 3 Punkte (→ 2-Punkte-Regel, → Früher war alles besser) Rückstand. Nicht auszudenken, wenn die Borussia durch einen Auswärtssieg in der Nachbarstadt auf einen Punkt an Tabellenführer Bayern herangekommen wäre. Da hätten die Funktionäre sich aber mal was einfallen lassen müssen. Während der alte und neue Meister noch auf dem Düsseldorfer Flughafen festsaß, berichtete Harry Valérien live von der Feier auf dem Münchener Marienplatz: „Ein Sprecher hat eben mitgeteilt, dass es schon zu einer Reihe von Schwerverletzten gekommen ist, weil den Leuten die nötige Disziplin fehle. Später stellte sich dies als Falschmeldung heraus. Es sei lediglich ein paar Münchenern übel geworden, raten sie mal warum.“ Anschließend wurde ein Mann und sein lebendiges FCB-Maskottchen, „Esel Seppi“ (→ Feierbiest), vorgestellt, dass „der Herr mit der S-Bahn reingebracht und mit der Rolltreppe raufgefahren hat. Da sehen sie, was modern ist, meine Damen und Herren“, so Außenreporter Valérien. Danach war Günter Netzer zu Gast und wurde von HaJo Friedrichs ob seines Fitneßzustandes im Hinblick auf die bevorstehende WM in die Mangel genommen. Netzer wusste nicht nur rhetorisch zu parieren sondern brillierte noch mit 5 Treffern an der Torwand  (bewies sich aber dabei als sauschlechter Prognostiker: „Ich werd‘ wohl nix treffen“) und einem Kantenschuss. Ein stolzes Ergebnis, das wohl letztendlich doch noch zu seiner WM-Nominierung geführt haben dürfte.

Im weiteren Verlauf bewies Friedrichs, dass er der Großmeister der Überleitungen ist: „Wir wollen einen Augenblick über schöne Dinge reden, aber zuvor reden wir über wenige schöne Dinge. Ist Herr von Garnier im Hause?“ Präsentiert wurden die Trikots von Schalke, dem VFB, Fortuna, MSV, HSV und der Frankfurter Eintracht. „Aber so ganz auf der Höhe der Zeit sind die nicht!“ Farbdesigner von Garnier („beschäftigt sich mit der Frage, wie diese bunte Welt noch bunter gemacht werden könnte“) machte sich an die Verschönerungen und ließ sechs männliche Models (→ Tanzschule Barbara Weber) die neue Kreationen zu karibischen Rhythmen in irren Tänzen vorführen und jedes Model sah dabei so aus als würden sämtliche Nadeln noch in den Trikots stecken und mit Kokain pur getränkt worden sein. Das schönste in gelb, orange und rot (Garnier: „drei Töne, die man als glühend bezeichnen könnte, damit auch mehr Frauen in die Stadien kommen“) - natürlich das neue Leibchen von Fortuna Düsseldorf. Netzer war begeistert, glaubte aber, dass die Umsetzung an den „konservativen Spielern“ scheitern würde.

Großartige Unterhaltung war zumeist garantiert, wenn das „Sportstudio“ auf Reisen ging. Einmal lieferten sich auf der Berliner Funkausstellung (→ IFA77) Freddie Kenton, seines Zeichens Weltmeister der Jongleure, einen Wettstreit mit Kurt Jara (MSV), Erich Beer (Hertha) und dem Publikumskind Oliver Bartz, das von Frank Elstner (→Kinderflüsterer) gecoacht wurde. Später stellte man Elfmeterkiller Rudi Kargus (HSV) ins Tor und ließ die Studiogäste gegen ihn antreten. Unter die mischten sich plötzlich Sänger Heino und der Hitparaden-Schreck Dieter Thomas Heck, die als Promis in der ersten Reihe saßen und von Valérien dazu gebeten wurden. Unter den gellenden Pfiffen des Publikums (Valérien: „Also nein, ich weiß gar nicht warum Ihr so intolerant seid. Kenn‘ ich gar nicht. Was habt Ihr denn?“) brachte Heino nur einen harmlosen Roller zuwege, während Heck den Ball weiter über’s Tor drosch als weiland 76 der Hoeneß, Uli in Belgrad und damit offenbarte, dass er offensichtlich niemals zuvor einen Fußball berührt hat. Am 01. April 1978 jedoch moderierte Heck selbst einmal das ASS und sorgte für ein Feuerwerk an Aprilscherzen. Als Höhepunkt wurden die Torwandbemühungen von Dr. Peter Krohn so zusammengeschnitten, dass es für das TV-Publikum so aussah als hätte der HSV-Manager sechs Treffer bei ebenso viel Versuchen erzielt. Krohn: „Es waren originale Schüsse, aber ich habe gut 10 Minuten dafür gebraucht. Oder waren es zwölf?“ Im Gespräch mit Hertha- und Ex-HSV-Trainer Kuno Klötzer bewies sich Heck dann als tadelloser Visionär als es um die Distanz von Hamburg nach Berlin ging: „Es liegt ja nicht so irrsinnig weit auseinander.“ Kuno Klötzer: „Man kann sogar hinschwimmen!“ Heck: „Vielleicht kommt das ja irgendwann mal wieder.“

 

Tag(s) : #Fußball pur!
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