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Nach einer heißen Nacht unter Kobolden und Gelenkbusfahrern (wilde Nächte habe ich nur noch, wenn ich wirres Zeugs träume) entschied ich mich zu einer Kontrollfahrt entlang der Rheinwiesen. Der Frühling war erwacht und an diesem herrlichen Samstagmorgen erfreute ich mich an fußballspielenden Kindern. Ich lenkte mein Rad zu ihnen rüber. 20 Jungs dreschten auf einen Ball ein. Sie sahen aus, als wären Sie direkt aus dem Galeria-Katalog des Kaufhofs rausgeclont worden. Sie trugen Trikots von Dortmund, Bayern, Leverkusen, Stuttgart (?!). Einer besaß sogar die Chuzpe im Dreß des VFL Wolfsburg rumzulaufen!

 

To dream the impossible dream - Ganz Düsseldorf träumt den Aufstiegstraum
 

Denn sie wissen nicht was sie tun

Ich bin ja schon dankbar, daß sie kein Basketball oder Football (würg) spielen und ihre gedankenlosen Eltern sie nicht in einen Rhein-Fire-Fummel stecken. Wenn bei mir früher etwas anderes als das jeweils neue Fortuna-Trikot unter dem Weihnachtsbaum lag, wollte ich meine Eltern am liebsten sofort verlassen und enterben. Fürsorgliche Sonderpädagogen wussten regelmäßig Schlimmeres zu verhindern. Auch wenn ich mir nur mühsam die eigenen (Fußball-) Schuhe zumachen konnte. Ich wäre schon alleine zurechtgekommen – irgendwie! Wild gestikulierend versuchte ich ihrem Tun Einhalt zu gebieten. „Schämt Euch. Ihr habt nicht einen Fortunen in Euren Reihen. Wo sind die Local Heroes Eurer Kindheit? Daniel Cartus, Rudi Zedi und Augustine Fregene?“ Keine Reaktion. Spontan warf ich mich vor ihre kleinen Füße, schnappte nach dem Ball und zog den Shittu-Joker. Als Resonanz war wildes Geheule ebenso zu hören, wie konkrete Bemerkungen a lá „Was will der Opa?“ oder „Schleich Dich, Du Penner!“ Einige versuchten mir den Ball aus den Händen zu treten und trafen meinen Kopf. Nach dem dritten Wirkungstreffer sank ich zu Boden. Benommen blinzelte ich sie an. Oh, schreck. Ein Junge, er schien der Aggressive Leader zu sein, steckte im CF Barcelona-Outfit: „Du bist der Feind“ raunzte ich ihn an. „Nein, ich bin Rivaldo“, verkündete er dagegen stolz und mahnte: „Du bist ein ewiggestriger Verlierer. Wir wollen Dich hier nicht. Fortuna ist scheiße! Verschwinde!“

Tares unerwünschtes Comeback

Langsam erkannte ich, daß die Jungs nur ihren großen Vorbildern nacheiferten, die sie aus den berüchtigten SAT1- und DSF-Fußballverfälschungssendungen und apokalyptischen Nike-Werbespots kennen, so wie wir damals den Allofs-Brüdern. Kann man ihnen das zum Vorwurf machen? Die heutige Fortuna-Generation ist ihnen völlig unbekannt und schnurzpupsegal (Soll man sagen zum Glück?). Jemand half mir auf. Ein letzter Versuch: „Wenn Fortuna wieder oben ist, dann geht ihr doch alle hin und kauft euch Ganyius Trikot. Wir brauchen euch.“ Doch die kleinen Ronaldos, Emersons und Elbers registrierten mich schon gar nicht mehr. Nur der hilfsbereite Mini, der mich behutsam vom Platz führte, blieb mir noch. Ich schaute ihn an. Tatsächlich, er trug das rot-weiße Leibchen der Einheimischen. War doch nicht alles umsonst? Mit kaum wahrnehmbaren Stimmchen sprach das Kind zu mir: „Hallo, ich bin Alina. Das Trikot habe ich von Igli Tare. Er hat mir versprochen eines Tages zurückzukehren. Ich muß jetzt wieder ins Tor. Sei nicht mehr traurig. Fortuna steigt bestimmt irgendwann wieder auf.“ Traurig blieb ich zurück. Der einzige Fortune war ein Mädchen, trug das Trikot eines albanischen Terroristen und stand im Tor. Ich hatte es nicht anders verdient. Mit dem Gedanken, daß „Irgendwann“ ziemlich bald sein muß, radelte ich schnell nach Hause um mit meiner Freundin über unsere Familienplanung zu reden.

Radfahren macht in der Gruppe noch mehr Spaß

 

 

erschienen in Nimm mich Volley Nr. 4, August 2000

Tag(s) : #Mein Leben als Fortuna-Fan
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