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Ein Portrait der Siebenkämpferin Sabine Thomaskamp, geb. Everts

 

„Die Sport“ traf Sabine Thomaskamp. Dieses Portrait der besten deutschen Mehrkämpferin der 80er Jahre reflektiert die Stationen Ihrer Karriere und zeichnet ihre Entwicklung zu einer stolzen, lebensfrohen Mutter nach.

 

Sabines sportlicher Werdegang begann im Alter von 7 Jahren an der legendären Düsseldorfer Brehmstraße. Als Eiskunstläuferin der DEG ging sie sieben Jahre lang diesem Sport nach. Zusätzlich kam sie 1972 aus eigenem Antrieb zur Leichtathletik. Ihre ersten Schritte in Spikes absolvierte die gebürtige Düsseldorferin beim Garather Sportverein. 5 Jahre später wechselte sie zum DSC 99. Dort begegnete sie dem Trainer Wolfgang Vander, der sie über ihre gesamte Laufbahn hinweg verantwortlich betreuen sollte. Sabine schulterte fortan eine Dreifachbelastung. Denn neben dem Sport nahm sie regelmäßig Geigenunterricht. Schwierigkeiten mit den Pflichtübungen und die hohen Aufwendungen für Material führten 1975 dazu, daß Sabine ihre Schlittschuhe an den berühmten Nagel hing und sich auf die vier Mehrkampfdisziplinen 100 Meter-Lauf, Kugelstoßen, Hoch- und Weitsprung konzentrierte. Dabei profitierte sie auch von den beim Eislaufen erworbenen Fähigkeiten Koordination und Sprungkraft. Mit 1,69 und 55 Kilo war sie von der Physis her eigentlich keine Mehrkämpferin. Sie hatte eher eine Veranlagung zum Springen und Laufen. Umso beeindruckender daher ihre jahrelangen Weltklasseleistungen, die eine noch größere Anerkennung verdient gehabt hätten. Wohl auch ein Grund, warum Sabine Sportler bewundert, die allgemein unterschätzt werden, dann aber über sich hinauswachsen.

Gefangene der Stadiontoilette

Ihre erste Meisterschaft gewann sie mit 14 im Vierkampf. Dieser erfolgreiche Beginn prägte ihre Leidenschaft für den Mehrkampf und hat sie auf die Bahn Leistungssport gebracht. Wie noch oft in ihrer Karriere war es ein knapper Sieg, den sie ihrer mentalen Stärke zuschreibt. „Ich war häufig mit meinem letzten Versuch in der Lage, an meinen Konkurrentinnen vorbeizuziehen.“ Der Erfolg blieb ihr treu. 1979 wurde sie achtzehnjährig in Polen Junioren-Europameisterin im Fünfkampf. Dieser Erfolg wäre beinah nicht zustande gekommen. „Unmittelbar vor dem Wettkampf besuchte ich noch schnell die Stadiontoilette. Das Türschloß kriegte ich zwar zu, aber nicht mehr auf. So mußte ich aus einem kleinen, vergitterten Fensterchen mitansehen, wie die Konkurrentinnen sich aufwärmten. Die Medaillen schienen in weite Ferne gerückt. Ich rüttelte, weinte und schrie, bis gerade noch rechtzeitig vor dem Startschuß eine Putzfrau erschien und mich befreite. Mein durch die Aufregung gestiegener Adrenalinspiegel verhalf mir zum Sieg und zum Weltrekord.“

 

Wolfgang Vander gab den Anstoß dazu, daß sich die Düsseldorfer Vereine zu einer leistungsfördernden Leichtathletik-Gemeinschaft zusammenschlossen. Die LAV Düsseldorf war geboren. Sabine Everts erhielt dadurch zusätzliche Motivation. „Unser Vorteil waren das  abwechslungsreiche Training und die tolle Kameradschaft. Ich bin jeden Tag gerne zum Rheinstadion raus gefahren und würde denselben Aufwand wiederholen, denn der war für den Erfolg absolut notwendig.“ Damit begann der kurze Höhenflug der Damen-Leichtathletik in Düsseldorf.

 

1980 verpaßte Sabine Everts durch den Olympia-Boykott die Spiele von Moskau. Sie war aber noch jung und wußte, daß vier Jahre später ihre große Chance kommen sollte. Bei der EM 1982 in Athen und der WM 1983 in Helsinki konnte sie mit einem dritten und einem vierten Platz in die Phalanx der Osteuropäerinnen eindringen. „Nachdem die Aufarbeitung der DDR-Sportgeschichte Doping-Vermutungen bestätigte, war klar, gegen welche Methodik wir damals ankämpfen mußten. Das half die eigenen Leistungen besser einzuordnen.“ Trotzdem hatte sie zu den DDR-Frauen ein gutes Verhältnis. „Das Politische war für die meisten Sportler außen vor. Wir waren durch die Faszination des Mehrkampfes verbunden“, die für sie auch in ihrer andauernden Spitzenposition in der Weltbestenliste bestand.

Olympia

Spekulieren und Nachkarten widerstrebt Sabines Charakter. Was wäre gewesen, wenn die anderen nie gedopt hätten? Oder wenn das Ende 1984 neu eingeführte Punktwertesystem, bei dem die sieben Disziplinen anders gewichtet wurden, bereits ein Jahr früher gegolten hätte? Nach dieser Berechnungsmethode wäre ihr in Los Angeles die olympische Goldmedaille umgehängt worden. Aber auch ihre schwächeren Wurfdisziplinen verhinderten den großen Triumph. Dennoch besaß sie bis zum Schluß eine reelle Siegchance. Sabine dominierte den abschließenden 800 Meter-Lauf so sehr, daß sie der Konkurrenz uneinholbar enteilte. Es schien, als renne sie um ihr Leben. Aber die australische Außenseiterin Glynis Nunn, die im Klassement führte, verkürzte den Abstand auf den letzten Metern und entriß Sabine die verdiente Goldmedaille, denn Sabine war in vier Disziplinen die Beste, Jackie Joyner in dreien und Nunn nur in einer. Am Ende fehlten ihr ganze zwei Sekunden oder 27 Punkte zum Sieg. Aber auch die Bronzemedaille war ein grandioses Ergebnis und machte sie zurecht stolz und glücklich.

 

In Kalifornien machte Sabine Braun als Sechste erstmals international auf sich aufmerksam und deutete an, daß sie Sabine Everts` Nachfolge antreten könne. Die Presse versuchte ein publicitywirksames Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Athletinnen zu erzeugen. Das Gegenteil war der Fall. Sabine Everts hat sich ihrer vier Jahre jüngeren, introvertierten Klubkameradin angenommen. Die sechsfache deutsche Mehrkampfmeisterin war froh in Birgit Dreßel und Sabine Braun erstmals Mitstreiterinnen aus dem eigenen Land zu haben, mit denen sie kommunizieren konnte. Sie bewundert die zweifache Weltmeisterin für das, was diese unter Wahrung ihres Typs erreicht hat. „Sie hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Bei ihr gab es keine verdächtigen Leistungssprünge. Für mich ist Sabine Braun die weltbeste Mehrkämpferin.“ Dafür, daß ihre Nachfolgerin immer „sauber“ war, legt Sabine Everts ihre Hand ins Feuer. „Sabine Braun vereint Talent, Cleverneß und Coolness. Ihre Erfolgsbilanz wird unterbewertet.“ In Sydney, bei Sabine Brauns fünfter  Olympiateilnahme, wird Sabine Everts ihr daheim ganz kräftig die Daumen drücken.

Studium, Schule und Familie

Fehlende Sponsoren-Gelder führten 1985 zum Ende der Damen-Leichtathletik in Düsseldorf. Gezwungenermaßen wechselten Sabine und ihr Trainer zu Bayer Dormagen. „Das war keine leichte Entscheidung, denn mit Düsseldorf verbinde ich die schönste Zeit meiner Karriere.“

 

Danach folgten Jahre, die von Verletzungen geprägt waren. Bei Olympia 1988 in Seoul mußte die Sportstudentin zum ersten und einzigen Mal in ihrer Karriere einen Siebenkampf abbrechen. „Die Ischiasschmerzen wurden unerträglich. Als ich beim Kugelstoßen aufgeben mußte, spürte ich eine große Erleichterung.“ Es war ihr letzter Siebenkampf. In den kommenden vier Jahren konzentrierte sie sich auf die 400 Meter Hürdenstrecke und den Weitsprung. 1992 wurde sie vom DLV offiziell aus der Nationalmannschaft verabschiedet.

 

Sie sah das Ende ihrer Karriere als bewußten Schnitt in ihrem Leben an. Danach konzentrierte sie sich mit dem ihr eigenen Elan auf ihren Studiumsabschluß, das anschließende Referendariat und ihre Familie. „Unsere beiden vier- und zweijährigen Söhne haben Spaß an der Bewegung. Ihre sportliche Entwicklung hängt davon ab, was die Kinder wollen und welche Talente sie mitbringen.“ Sabine und ihr Mann werden den Beiden jede Unterstützung zukommen lassen, aber nicht versuchen sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Sabine weiß, daß, wie bei ihr, „der Antrieb von einem selbst kommen muß, sonst bestehen keine langfristigen Erfolgschancen“.

 

Sabine Everts ist eine dynamische Frau, die den Leistungssport nicht vermißt. „Faszinierend war immer vorher die Angst und nachher das Gefühl, es gut geschafft zu haben. Das brauche ich nicht mehr.“ Wenn sie heute Mehrkampf im Fernsehen verfolgt, leidet sie mit den Athletinnen, spürt förmlich die Schmerzen, die diese erleiden und sagt „ich bin froh, daß die Quälerei für mich vorbei ist“.

Tag(s) : #Out of Soccer
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